Weisheiten der Woche


Swissroller's kleine Wissensdatenbank

Der heilige Gral von Tom Hermes, 9. 6. 2006

Gralskelch


Einleitung zum heiligen Gral
Der heilige Gral ist ein mystischer Kelch und Mittelpunkt vieler Legenden. Eine Version des Gralsglaubens besagt, dass es sich um einen Meteor oder einen Edelstein handelt, quasi den "Stein der Weisen“. Eine andere Version beschreibt den Gral als Kelch mit dem das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern feierte. Der Gralskelch soll auf jeden Fall gewaltige Kräfte haben und dem Besitzer ebensolche Kräfte verleihen, er soll ein Jungbrunnen sein und ist unermesslich wertvoll.

Die Geschichte vom heiligen Gral
Die Legende vom Heiligen Gral ist eine 900 Jahre alte Geschichte. Der Mythos birgt ein Geheimnis in sich, das bis heute nicht gelüftet ist und die Menschen schon immer in seinen Bann gezogen hat und noch immer zieht.

Die Gelehrten streiten schon über die Herkunft des Begriffes Gral / Graal / Grail (okzitanisch grazal, altfranzösisch graal 'Gefäss, Schüssel'). Von den vielen etymologischen Erklärungsversuchen gilt heute die Herleitung von griech.-lat. crater (Mischgefäss) über lateinisch cratalis/gradalis als am wahrscheinlichsten.

Der Heilige Gral ist den Überlieferungen nach ein wundertätiges und in späteren Versionen sakrales Gefäss, eine Schale, ein Kelch oder ein Smaragd, der aus Luzifers Krone fällt, als dieser in die Hölle fährt. Auch als Stein der Weisen hat der Gral in der Literatur und darstellenden Kunst eine Bedeutung. Zusammen mit einer rätselhaften blutenden Lanze wird er in einer Burg von Gralskönig und Gralsrittern bewacht. Er spendet Glückseligkeit, ewige Jugend und Speisen in unendlicher Fülle.

Der mystische Gral wird zum Teil auch als eine verschollene Blut-Reliquie begriffen, die in ihrer Umstrittenheit vergleichbar mit dem Turiner Grabtuch, dem Eucharistie-Wunder von Lanciano oder dem Blutwunder von San Gennaro in Neapel ist.

Ursprung der Legende

Kelten
Etliche Variationen der Gralslegende legen nahe, dass es vermutlich gegen Ende des 5. Jahrhunderts eine ursprüngliche keltische Originalerzählung gegeben haben muss, die unter ungeklärten Umständen verloren ging.

Die Kelten besitzen eine Weltvorstellung, in der ohne Schwierigkeiten reale Gegebenheiten neben verzauberten, mystischen und übernatürlichen Begebenheiten existieren. Sie assoziieren eine Alltagswelt und zugleich eine parallel existierende Gegenwelt, deren Grenzen an heiligen Brunnen und Quellen aufeinander treffen, so dass das Hinübergehen in die jeweils andere Welt an diesen Orten möglich wird. Quellen sind für die Kelten der Inbegriff und Beleg für die Gegenwart der fürsorglichen und lebensspendenden Erdmutter Eriu, die in Europa zum ersten Mal vor 8.000 Jahren personifiziert und verehrt wird. Die Erdgöttin, die in der keltischen Mythologie u. a. als Herrin des Landes oder Herrin der Quelle bezeichnet wird, nimmt verschiedene Verkörperungen an: Einmal ist sie eine alte Frau, ein anderes Mal eine Nymphe, dann wieder eine Jungfrau.

Das keltische Original ist in seinem Kern eine Erzählung von den Frauen des Landes, nicht von mutigen Männern und Rittern. Dies wird in den Erläuterungen zu Chrétiens Prolog ersichtlich. Das Reich von Logres (in Britannien) wird als blühendes Paradies beschrieben, in dem Ruhe und Frieden herrscht und es Sitte ist, dass Ritter und Wanderer auf der Durchreise Speisen von Jungfrauen aus goldenen Bechern und Schalen serviert bekommen. Durch diese Speisung erfahren die Reisenden die Harmonie der beiden nebeneinander existierenden Welten, und sie erkennen, dass sich der Hof der Glückseligkeit oder die Gralsburg im Reich von Logres befindet. Das Land ist von Gemeinschaftlichkeit und Gleichheit geprägt, bis der boshafte König Amangons eine Jungfrau auf seine Burg entführt und ihre Heilige Schale stiehlt. Seine Männer tun es ihm nach, und bald sind keine Jungfrauen mehr im Land, die die Reisenden noch speisen. Das Gleichgewicht zwischen den beiden Welten ist dadurch zerstört. In der Folge verwandelt sich das Land von Logres in ein Ödland: Quellen und Brunnen trocknen aus, Pflanzen gehen ein, Tiere werden unfruchtbar und die Menschen ziehen weg. Dass die "Stimmen der Brunnen" verstummt sind, bedeutet aus keltischer Sicht den Verlust des Kontaktes zur Gegenwelt. Aus diesem Grund muss sich ein Auserwählter auf den mutigen Weg machen, die "Wasser zu befreien", um eine Versöhnung zwischen der Erdgöttin der jenseitigen Welt (Innenland) und dem König der diesseitigen Welt (äusseres Reich) herzustellen, oder modern formuliert, um das ursprüngliche Paradies wieder herzustellen. Der König kann nach dem keltischen Glauben seine rechtmässige Herrschaft nur antreten, wenn er mit der Erdgöttin (oder Königin) in Verbindung tritt und sich für ihre Freiheit einsetzt.

Spekulationen über den Ursprung
Schon früh wird auf mysteriöse Dokumente verwiesen: Einmal ist von einer geheimen Mitschrift der Worte Jesu Christi, ein anderes Mal von der Botschaft eines Engels, von Abschriften aus alchemistischen Traktaten oder von einem Originaldokument aus Spanien, Britannien oder dem Fernen Osten, Jerusalem, die Rede.

Die Legende vom Held
Ein Held wird in eine verzauberte Welt geboren. Seine Bestimmung ist es, sich auf die Suche nach einem geheimnisvollen Gegenstand aus einer jenseitigen Parallelwelt zu machen, der Heiliger Gral genannt wird. Die Aufgabe dieses Helden ist es, die natürliche Ordnung und Harmonie der in Unordnung geratenen Welt wiederherzustellen. Er erhält je nach künstlerischer Umsetzung die unterschiedlichsten Namen: Artus, Gawain, Galahad, Parzival, Perceval, Peredur, Perlesvaus oder Bors.

Er wird als Abkömmling aus geheimnisumwobenen Familienverhältnissen dargestellt, der die zwei mächtigsten magischen Kräfte in sich vereint: Den grössten Heldenmut und eine unschuldige Reinheit. Er wird entweder von seiner Mutter oder von einer Kriegerin, die Zauberkräfte hat, erzogen, und wächst ohne Geschwister und Freunde auf. Ihm fehlt der Sinn für die Wirklichkeit, diesen Mangel gleicht er jedoch durch seine Unschuld oder Naivität wieder aus, weshalb er auch "tumber Tor" oder "grosser Narr" genannt wird.

Bald nachdem er sein behütetes Zuhause verlässt, um sich auf die Suche zu machen, wünscht er sich nichts sehnlicher, als der bedeutendste Ritter seiner Zeit zu werden. Am Hof von König Artus wird seine Bestimmung erkannt, und obwohl er sich häufig als dummer Narr erweist, wird er zum Ritter geschlagen und in die Gemeinschaft der Tafelrunde aufgenommen. Der Held erwirbt sich durch seine Herkunft und seinen tollkühnen Umgang mit Waffen hohes Ansehen. Bei den Rittern der Tafelrunde geniesst er höchste Verehrung, als er sich in seiner naiven Art einfach auf den Platz der Gefahr setzt, der als tabu gilt und stets für den Auserwählten freigehalten wurde. Damit wird deutlich, dass es sich bei dem Narren nur um den erwarteten Auserwählten handeln kann. In der Artus-Sage ist dies ein Ort im Wald, an dem ein Amboss steht, in dem das Schwert Excalibur steckt, das nur vom legitimen Thronerben des Königs herausgezogen werden kann. Es wird somit zur Nagelprobe für den Helden.

Die Handlungsstränge einzelner Gralslegenden gehen nun etwas auseinander: Entweder reitet der Held alleine los, um sich auf die Suche zu begeben, oder der Heilige Gral erscheint als strahlende Vision am Tisch der Tafelrunde, so dass sich alle Ritter bereit erklären, gemeinsam auf die Suche nach dessen Geheimnis zu gehen. Im Folgenden werden in diversen Variationen die Abenteuer der Ritter geschildert, die verschiedene Aufgaben lösen müssen. Der Held muss sich immer wieder neuen Rätseln stellen, z. B. die richtige Frage stellen, sich selbst treu bleiben, eine Burg erobern oder ein Unrecht rächen. Da der Zauberer Merlin als eigentlicher Initiator der Suche nach dem Gral angesehen wird, erscheint auch er in einigen Gralslegenden, um helfend einzugreifen. Zuletzt gelingt es den Rittern gemeinsam, das Geheimnis des Heiligen Grals zu enthüllen. Die Ritter, die mit einem Makel behaftet sind, scheitern dabei.

Der Held verändert sich während der Gralssuche. Durch seine Taten kann er den Hüter des Grals, der verletzt oder krank ist, heilen, und das zerstörte Land wieder zu einem Paradies erblühen lassen.

Entwicklung der Legende
Der Gral taucht in der europäischen Dichtung erstmals kurz vor 1200 auf. Die älteste bekannte Quelle dafür ist der mystisch-religiöse Perceval-Versroman (Le Conte du Graal) des französischen Dichters Chrétien de Troyes (vor 1150 - vor 1190). Chrétien und seine Zeitgenossen kannten die Artuslegenden, von denen die Gralslegende nur eine war, die aus dem so genannten "Matière de Bretagne", aus dem britannischen Sagenkreis stammten. Die Legenden dieses Sagenkreises waren durchwoben von Begegnungen mit dem Übernatürlichen und mit magischen und mystischen Mächten. Es wird vermutet, dass Chrétien auch die irischen echtrai oder Adventüren, die ersten von Flüchtlingen auf das europäische Festland mitgebrachten keltischen Legenden mit vielen Gralsthemen, kennen lernte. Bei Chrétien ist der Gral eine mit kostbaren Edelsteinen verzierte, magische Goldschale, in der dem Vater des legendären Fischerkönigs Bran in einer feierlichen Prozession eine Hostie zugetragen wird, die seine einzige Nahrung darstellt.

Robert de Boron
Die Lebensdaten von Robert de Boron sowie der Zeitpunkt des von ihm verfassten Roman de l´estoire dou Graal sind heute nicht mehr eindeutig bestimmbar. Es wird vermutet, dass er ihn annähernd im gleichen Jahr wie Chrétien de Troyes (um 1180 - 1181) schrieb. Seine Fassung der Gralslegende weist eine christliche Richtung auf und erwähnt den Heiligen Gral erstmals als Kelch, mit dem Jesus mit seinen Jüngern das Letzte Abendmahl gefeiert haben soll.

Helinandus
Helinandus Frigidimontis (~1160 - 1229) berichtet in seiner Chronik von vor 1204, dass ein in Britannien lebender Einsiedler eine Vision von dem Hüter eines Kelches, Joseph von Arimathia, hat. Mit diesem Kelch soll Joseph von Arimathia das Blut Christi am Kreuz aufgefangen haben.

Wolfram von Eschenbach
In die deutschsprachige Literatur kommt das Thema 1210 durch Wolframs von Eschenbach (1170 - ~ 1220) Übersetzungsbearbeitung von Chrétiens Roman Parzival. Wolfram nennt allerdings, vermutlich, um seine Kritiker zu verwirren, einen rätselhaften Dichter namens "Kyot de Provence" als seine Hauptquelle. Kyot will in Toledo ein arabisches Manuskript entdeckt haben, dass 1200 v. Chr. von einem jüdischen Astronom namens Flegetanis geschrieben worden sein soll.

In Wolframs von Eschenbach Gralsversion wird die Gralssuche als das Streben des Einzelnen nach Ganzheit dargestellt. Der Gral wird als Quell dieser Ganzheit betrachtet. So wird der nach ihm Suchende schon genährt, wenn sich der Gral nur in der Nähe befindet. Wolfram beschreibt in seinem Parzival eine Trennung zwischen Natur und dem Übernatürlichen oder Gott und wandelt die Erzählung dahingehend, dass die Suche des naiven Helden nach dem Heiligen Gral zur Versöhnung zwischen Natur und Übernatürlichem führt. Der Name Parzival oder Perceval kann auch mit Perce à Val (das Tal durchqueren) übersetzt werden. Wolfram beschreibt den Gral lyrisch, als "... Inbegriff paradiesischer Vollkommenheit, Anfang und Ende allen menschlichen Strebens und ein nie versiegendes Füllhorn irdischer Köstlichkeiten ...".

Gralssuche
Die Gralssuche wird ebenso vielfältig beschrieben wie der Heilige Gral selbst. Sie wird definiert als
Suche nach Erleuchtung, Vollkommenheit, nach dem letzten Ursprung, Kessel der Wiedergeburt, direkte Kommunion mit Gott durch den Leib Christi und als Quell der ewigen Jugend.
Der Heilige Gral kann nur zusammen mit der Suche nach dem Gral gedacht werden, denn beide symbolisieren das höchste Streben nach Erfüllung, das Ziel und den Weg des Menschen zu diesem Ziel. Insofern kann der Gral, und mit ihm die Suche, für jeden Menschen jede nur mögliche Bedeutung annehmen.

Gralsburg und -tempel
Nach der Gralsburg wurde und wird immer wieder von neuem als real existierende historische Stätte gesucht. In den Legenden wird sie häufig als eine Insel hoch über dem Meer geschildert, die nach dem Eintritt der Verwüstung des Landes aber nur von einem Menschen reinen Herzens gesehen werden kann. Das Innere der Burg ist reich mit Juwelen und Edelsteinen geschmückt. Sie wird als Jungbrunnen und als Axis Mundi, also als das Zentrum oder der Nabel der Welt betrachtet.

Vorwiegend kommen Kirchen, Türme, Burgen und Festungsruinen in England und Wales als ursprüngliche Gralsburg in Frage, aber auch von einigen Orten in den spanischen und französischen Pyrenäen sind Gralsverehrungen überliefert. Es existieren zahlreiche alte, als heilig geltende Orte und Gebäude, auf die die Beschreibungen zum Teil zutreffen könnten, in einigen Orten sollen aber auch die Anwohner bereits sehr früh zur Verbreitung dieser Legende beigetragen haben. So gibt es bis heute keine gesicherte Erkenntnis, dass eine Gralsburg jemals wirklich existiert hat.

Folgende Gebäude kommen in der Forschung am ehesten in Betracht:

Die gesamte Umgebung von Glastonbury im Südwesten Englands, wo in der Abtei noch heute zur Weihnachtszeit ein wundersamer Dornenstrauch blühen soll, und wo angeblich 1190 die sterblichen Überreste von Artus und Guinevere entdeckt wurden. An der Stelle der im gleichen Ort befindlichen St. Marys Chapel soll der Überlieferung nach von Joseph von Arimathia die erste Kirche Europas erbaut worden sein. Der Turm von Glastonbury gilt heute noch als der heiligste Ort Britanniens bzw. als die Verkörperung Avalons. An seinem Fuss befindet sich der Chalice Well (Kelchbrunnen), der bekannteste aller Brunnen, die je mit dem Gral in Verbindung gebracht wurden. Dass der Brunnen, so lange sich Menschen daran erinnern, noch nie versiegt ist, soll damit zusammenhängen, dass einst der Heilige Gral in ihm versteckt wurde.

Winchester Castle in Südengland, in dem sich ein Tisch aus dem 13. Jahrhundert befindet, an dem 24 Ritter Platz hätten.

Bamburgh Castle in Northumberland, England, als Lanzelots Burg "Joyous Garde".

St. Michaels Mount in Cornwall, Südengland, als Rest des versunkenen Reiches.

Montségur in den französischen Pyrenäen, als Festung von Katharer-Rittern, die überraschend der belagerten Zitadelle entfliehen und dabei den grössten Schatz der Katharer retten.

Montsalvasch (auch Munsalvaesche) in den spanischen Pyrenäen, als reich mit Juwelen geschmückter Gralstempel des Templerordens, der sehnsüchtig auf die Ankunft des Mahdi (Ritter) aus dem Osten wartet.

San Juan de la Peña, ein Bergkloster in den spanischen Pyrenäen, das versteckt unter riesigen überhängenden Felsen am Boden eines tief eingeschnittenen Flusstales liegt und nur von Ortskundigen zu finden ist. Laut den Überlieferungen verehrten dort im Mittelalter Pilger eine Reliquie als den Heiligen Gral.

Die Burg, die mit allen literarischen Beschreibungen die meisten Übereinstimmungen aufweisen soll, ist Cadbury Castle, auch Dinas Bran (walisisch für Festung des Bran) genannt, in Llangollen in Nordwales am Fluss Dee. Der Überlieferung nach war sie die Burg des walisischen Gottes Bran.

In der Kathedrale von Valencia wird in einer Nebenkapelle ein steinerner Kelch (cáliz) aufbewahrt, der von der Bevölkerung als Heiliger Gral verehrt wird, die katholische Kirche hat diesen Kelch bisher aber nicht als Heiligen Gral anerkannt.

Gralshüter
Die Templer, die sich selbst Pauperes commilitones Christi templique Salomonis ("Arme Ritter Christi und des Tempels Salomons") nannten, sollen eine Zeit lang im Besitz und Hüter des Heiligen Grals gewesen sein. Aus einer Anklageschrift vom 12. August 1308 wird ersichtlich, dass sie steinerne Köpfe (zum Teil mit drei Gesichtern) als Heiligtümer verehrten, denen sie die gleichen Eigenschaften und Wunderkräfte wie dem Heiligen Gral zugeschrieben haben.